Lolita - eine kleine Schönheit kämpft um ihr Leben . . .
Wie alles begann . . .
Madeira 2013. Eine junge Hündin wurde blutüberströmt am Straßenrand gefunden. Berichten zufolge wurde sie aus einem fahrenden Auto geworfen und anschließend von einem anderen Fahrzeug erfasst. Entsorgt wie Müll, den man aus dem Fenster wirft . . .
Die Verletzungen waren so schwerwiegend das sie nicht mehr laufen konnte. Als letzte Hoffnung wurde die arme Maus in die Tierklinik gebracht. Aber Lolita ist eine Kämpferin! Den schlimmen Verletzungen zum Trotz, und mit der Hilfe der Veterinäre auf Madeira, hat sie nicht nur überlebt, sie konnte sogar wieder laufen.
Zugegeben, nur auf drei Beinen und humpelnd. Das linke hintere Bein war offensichtlich ohne Funktion und hing mehr oder weniger leblos an ihren zierlichen Körper, aber Lolita konnte laufen, und vor allem: Sie wollte laufen - und sie wollte leben!
Allerdings war es trotz zahlreicher Operationen auf Madeira nicht gelungen ihr das Auftreten auf allen vier Pfoten zu ermöglichen. Das linke Hinterbein benutzte sie seit ihrem Unfall nicht mehr. In wie fern dem in Deutschland Abhilfe geschaffen werden könnte, war medizinisch nicht geklärt.
Aber auch auf drei Pfoten ist Lolita ein Schatz und - ihrem Namen entsprechend - eine kleine Schönheit. Sie selbst beeinträchtigt ihre Behinderung nicht. Im Gegenteil, sie schloss eine innige Freundschaft mit Pintas, einem blinden Dalmatiner. Die beiden wurden ein Team, Pintas - der majestätische Dalmatiner-Rüde - und Lolita beschützten sich gegenseitig. Sie war Pintas eine große Stütze und leihte ihm sozusagen ihre Augen.
Eine neue Chance?
Mittlerweile war Lolita geimpft, gechipt und erhielt somit die Chance mit einem EU-Heimtierausweis nach Deutschland zu kommen. Sie ist zum damaligen Zeitpunkt geschätzt etwa zwei Jahre alt gewesen. Die Hoffnung war, dass sie in einer deutschen Tierklinik noch einmal operiert werden könnte. Christel Helfgen (Tiere kennen keine Grenzen ), erklärte sich spontan bereit sie in Deutschland vorerst in Pflege zu nehmen bevor Lolita dann in ihre eigentliche Familie weiter vermittelt werden sollte. Auch wäre damit die Chance vorhanden Lolita in einer deutschen Tierklinik vorzustellen, um die Schwere der Verletzungen einzuschätzen, und die Hoffnung auf eine Verbesserung zu erhalten.
Zu diesem Zeitpunkt konnte noch niemand ahnen welchen irrwitzigen und fatalen Lauf die Dinge nehmen sollten . . .
Aber es kam alles anders . . .
Am 18. Februar 2014 war es dann soweit. Lolita packte ihren Koffer – und den von Pintas gleich mit. Sie durfte mit ihrem blinden Freund zusammen nach Deutschland fliegen.
In Deutschland angekommen war eine der ersten Erfahrungen der schmerzhafte Abschied von Pintas. Das eingespielte Team wurde getrennt und jeder musste seine eigenen Wege gehen, sein eigenes Glück finden. Lolita verlor ihren starken Beschützer - und Pintas seine Gefährtin, die ihm ihre Augen geliehen und ihn geführt hatte.
Aber alles schien sich zum Guten hin zu entwickeln. Pintas fand eine Familie, die ihn auf einem Bauernhof in der Lüneburger Heide aufnahm. Er fand neue Hundegefährten, die ihn führten und konnte auf barrierefreien Terrain laufen ohne ständig irgendwo anzustoßen. Pintas hatte sein Happyend alleine gefunden.
Auch für unsere Lolita fanden sich Adoptanten, Menschen, die ihr eine eigene Familie sein sollten, die sie beschützen und behüten sollten. Von eben jener Familie wurde sie in einer saarländischen Tierklinik, der Kleintierklinik Köllertal, vorgestellt, um endgültig abzuklären inwiefern ein Laufen auf allen vier Pfoten eventuell noch ermöglicht werden könnte.
Doch genau hier geschah das Unfassbare, die zuständige Tierärztin sprach der Knutschkugel nach erfolgter Untersuchung jegliche Lebensqualität ab und empfahl die sofortige Euthanasierung!
Zugegeben, der Befund hört sich erschreckend an: Das komplette Becken und rechtes Hüftgelenk mehr oder weniger gut zusammengeheilte Trümmerfraktur, Beckenschiefstand, linkes Hüftgelenk sowie der obere Teil des linken Oberschenkelknochens waren überhaupt nicht mehr vorhanden.
Die lebenslustige, fidele und vor allem schmerzfreie Maus wurde von einer, aufgrund eines Universitätsabschlusses so genannten Tierärztin, als unwertes Leben eingestuft.
Doch das Hundemädchen hat sehr wohl Lebensqualität!
Ein unwertes Leben wird gerettet
Christel Helfgen und Karin Ettelbrück handelten Gott sei Dank ebenso schnell wie beherzt und brachten Lolita erstmal in Sicherheit. Aber wohin mit ihr? Aktuell war kein Platz, um sie unterzubringen.
23. Februar 2014: Ankunft Zuhause!
Da kamen wir ins Spiel. Auf Nachfrage von Christel Helfgen fand die süße Madeirenserin als "Notfall" erst einmal Unterschlupf bei uns. Es sollte eigentlich nur übers Wochenende, für wenige Tage, nur bis man eine Pflegestelle frei hätte, sein. Die kleine Schönheit war erstmal bei uns angekommen.
Am selben Wochenende bekamen wir auch den Befund inklusive Röntgenaufnahmen der schönen Medeirenserin. Beides wirkte erschreckend und man konnte es kaum glauben, wenn man die Maus ansah, wie sie sich bewegte und wie sie sich verhielt. So lebenslustig und unbedarft, nach allem was sie bisher erleiden musste.
Natürlich hatte uns die hübsche Maus auch bezirzt, und so fassten wir unmittelbar einen Entschluss, der alles verändern sollte. Ein Happyend Geschichte konnte beginnen, an der viele liebe und kompetente Menschen beteiligt sein sollten.
Direkt nach dem Wochenende gingen wir zusammen mit Lolita zu unserer liebgewonnenen Tierärztin des Vertrauens, Frau Rieger, in die Tierklinik Elversberg . Wollten eine zweite Meinung, Hilfestellung wie wir ihre Situation verbessern oder ein verschlimmern vermeiden könnten. Auf Grund der schwere des Befundes verständigte sie zusätzlich einen der Chefärzte und Experten - Dr. Pack -. Wir können uns nur sehr gut daran erinnern was dann geschah. Dr. Pack rannte zu uns in den Untersuchungsraum und sagte nur einen Satz: Der Hund läuft? - Ja, der Hund läuft, denn sie ist eine madeirensische Kämpferin, und ja, sie kann laufen, und sie will laufen und sie will vor allem leben.
Dr. Pack schmiss Befund und Röntgenbilder in die Ecke, ging mit Lolita und uns zusammen nach draußen, schaute sich intensiv das Gangbild in verschiedenen Situationen an und sagte den entscheidenden Satz: Machen sie Physiotherapie, bauen sie Muskeln auf, vermeiden sie Treppenlaufen und Überbelastung, dann wird Sie noch ein langes schmerzfreies und glückliches Leben haben.
In diesem Moment war klar, die Knutschkugel würden wir nicht mehr hergeben und alles dafür tun, um ihr eben genau das zu ermöglichen
Damit konnte das Happyend weitergehen und ein weiterer lieber Mensch trat in Lolitas Leben. Nina Reiber von der Tierphysio Saarpfalz . Seit April 2014 geht Lolita im dreiwöchigen Rhythmus dort zur Physiotherapie. Nina Reiber schloss sie sofort in ihr Herz und kümmerte sich fortan rührend um sie.
Es wurden Extra-Termine außerhalb der Behandlungszeit gemacht um eine regelmäßige Behandlung zu ermöglichen. Beginnend mit Muskelaufbautraining auf dem Unterwasserlaufband, Beweglichkeitsübungen, Dehnübungen, Wegmassieren von Muskelverklebungen und Triggerpunkten, die in dem instabilen Gangbild ihre Ursache hatten. Unterstützend Laser- und Infrarotbestrahlung.
Und Lolita trainierte beherzt mit, so als wollte sie alle Diagnostik Lügen strafen. Zu Beginn der Behandlungen legte sie sich bereits selbstständig in Grundstellung und signalisierte: Es kann losgehen! Zwischendurch kam auch immer mal wieder eine Spielaufforderung. Und so wurde ein neuer Begriff geboren, fortan wurde sie von Frau Reiber als „Quatschmaus“ tituliert.
Aber wie der Quatschmaus ein flüssiges Laufbild ermöglichen um ein Verkleben der Faszien und Entstehung von schmerzhaften Triggerpunkten zukünftig zu vermeiden? Die Idee war eine Orthese, welche die unterschiedliche Länge der Hinterbeine, bedingt durch den Beckenschiefstand, ausgleicht und ein gerades Laufen auf allen Pfoten ermöglichen sollte.
Diese Welt ist nicht gerade gesegnet mit Tierorthopäden, aber einige gibt es dennoch. Und ein sehr guter ist die Tierorthopädie Pfaff in Frankenthal. In der Hoffnung hier Hilfe zu finden wurden wir also in der Pfalz vorstellig. Hier gab man sich alle nur erdenkliche Mühe. Es wurde ein Versatz von 7 cm! festgestellt, die das linke hintere Bein kürzer ist als des rechte. Daraufhin wurde in akribischer Handarbeit eine Orthese angefertigt, die den Versatz ausgleicht und deren Fuß exakt der Form einer Hundepfote nachempfunden ist.
Aber Lolita wollte die Orthese nicht annehmen, nicht damit laufen. Alles Training und alle Beharrlichkeit nutzten nichts. Schlimmer noch, das Laufen verschlechterte sich und Verspannungen waren die Folge. War alles umsonst, konnten wir wirklich nicht helfen?
Doch – denn wieder einmal belehrte uns die Kämpferin eines Besseren. Die Orthese flog in den Schrank und das Training und die Spaziergänge wurden ohne fortgeführt. Nach und nach wurde ein kleines Wunder wahr: Lolita begann wieder auf allen vier Pfoten zu laufen! Langsam gehend werden alle Beine genutzt, trabend oder rennend manchmal nur drei, gerade wie es am besten passt. Aber – sie kann und nutzt wieder alle Beine! Sie rennt über Wald und Flur, springt auf Baumstämme, buddelt und spielt. In der Physiotherapie sind Verklebungen und Trigger so gut wie kein Thema mehr.
Mittlerweile bekam Lolita auch Zuwachs aus Madeira. Ruca kam am 14.07.2015 im Alter von vier Monaten in unserem Rudel an und Lolita schlüpfte in die Rolle seiner Ziehmutter. Er musste durch eine extrem harte Schule gehen, denn Lolita erwies sich als eine sehr strenge Mama.
Am 12. November 2015 stieß dann noch Hundeopi Eddi, ebenfalls aus Madeira, dazu. Der mittlerweile ca. 14jährige, einäugige Zottelbär komplettierte das medeirensische Trio.
Im Laufe der Zeit verstärkten dann noch Paulina und Biba, zwei spanische Señoritas, unser Rudel. Lolita avancierte zur Rudelchefin. Sie hält alles zusammen, passt ständig auf alles auf und gibt vor allem dem sensiblen Ruca Sicherheit und Stärke.
Ruca und Lolita verbindet mittlerweile eine sehr innige Beziehung. Ruca wird immer Lolitas Baby bleiben.
Nun ist unsere Chefin acht Jahre alt und wir können sagen, ja, sie hat endlich ihr Happyend gefunden. Sie ist irgendwie lockerer und noch lebenslustiger geworden. Als würde sie wissen, dass ihr Leben am seidenen Faden hing. Es sieht ein bisschen so aus als wäre sie in „Teilzeitrente“ und sie lässt ihren Ziehsohn Ruca schon gerne mal die nervige „Drecksarbeit“ machen
Bei ihren Spaziergängen läuft Lolita mittlerweile locker lange Strecken auf allen vier Pfoten. Sie spielt, buddelt, rennt und springt filigran durch den Wald. Wir bemerken keinen Unterschied mehr zu ihren "nichtbehinderten" Artgenossen. Sie kann alles tun was ein gesunder Hund tun kann.
Ein als unwertes Leben eingestufter Hund hat gekämpft, es allen gezeigt und sein Happyend gefunden!
Vor einiger Zeit bekamen wir die traurige Nachricht dass ihr blinder Freund und Beschützer, der Dalmatiner Pintas, über die Regenbogenbrücke gegangen ist. Er hatte sein Alter erreicht und sein Happyend ohne seine Freundin Lolita gefunden. Lieber Pintas, wir danken dir für alles was du für deine kleine Schönheit getan hast.
Dort wo du jetzt bist, kannst du mit Sicherheit endlich sehen wie deine kleine Freundin aussieht, die dir ihre Augen geliehen hat. Wir versprechen dir weiter auf deine Lolita aufzupassen, sie zu beschützen und alles für sie zu tun.
Lolita rennt und buddelt
Lolitas erster Winter
Ein unwertes Leben?
Lolitas Happyend in Bildern . . .