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Weihnachten 2019
Weihnachten auf Madeira
Es war einmal eine kleine Tierpension in den Bergen der wunderschönen Insel Madeira. Sie lag eingebettet in waldige Hügel und der sandige Boden duftete nach Holz. Dort wurden meist Hunde abgegeben, deren Besitzer in Urlaub fuhren oder ins Krankenhaus mussten. Sie, die „Reisenden“, lebten dort eine kurze Zeit bevor sie wieder in den Kreis der Familie zurückkehrten. Dort in der kleinen Pension in den Bergen lebten aber auch die „Vergessenen“. Eine Gruppe von Hunden, die man nicht mehr wollte, die die Straße ihre Heimat nannten und deren Leben ein einziger Kampf war. Und um diese Vergessenen soll es in dieser kleinen Geschichte gehen.
Es geschah in der Weihnachtszeit, als sich langsam die Ruhe über die Insel senkte, die Touristen alle wieder zuhause waren, um dort ihren Familien zuhause von der Schönheit der Insel zu erzählen, und die Tage in der kleinen Pension kürzer wurden. Dort lebte inmitten der Vergessenen ein großer stattlicher Rüde mit wachen Augen und einem immer skeptischen Zug um die schon weiße Schnauze. Er kümmerte sich um die Neuankömmlinge, die nicht verstanden, was um sie herum geschah und wenn es am Ende des Tages ruhiger wurde, erzählte er der müde werdenden Bande Geschichten, die er von den Reisenden gehört hatte.
Sie handelten von der Liebe und den guten Menschen, von schönen Plätzen und immer genug Futter. Er erzählte diese Geschichten, um den Kleinen den Start ins Leben schöner zu machen. Denn oft waren es nur die Kleinen, die eine Chance hatten, gesehen zu werden, gerettet zu werden. Es waren Geschichten der Hoffnung, die von Mut, Tapferkeit und Stärke handelten. Und wenn sich abends die Nacht langsam über die kleine Pension legte und die Reisenden schon wieder zuhause waren, wenn alle Menschen schon in den Häusern waren, scharten sich die Kleinen um ihn herum und lauschten seinen Erzählungen, bis ihnen die Augen zufielen und sich Träume vom besseren Leben in ihren Herzen breit machten.
Erst wenn alle Kinder, den Verlust ihrer Mütter, alle Traurigen und Verzweifelten, alle Hungrigen und Kranken, alle Gebrochenen ihr Schicksal vergessen hatten und in einen unruhigen Schlaf fielen, kehrte auch er in seine Box zurück und schaute in die Nacht. Er blickte in die Sterne, wissend dass er, der Alte, wohl niemals einen anderen Himmel sehen würde. Aber er wollte nicht undankbar sein, hatte er doch endlich einen Platz in Sicherheit und Frieden, nachdem er jahrelang auf der Straße lebte.
Man fand ihn damals als er sich ohne die Hoffnung, von der er täglich seinen Schützlingen erzählte, zum Sterben auf die Straße legte. Seine dürren Beine wollten ihn nicht mehr tragen, seine Haut, gezeichnet vom harten Boden der Tatsachen und den Kämpfen mit den anderen Verzweifelten um ein Stück weggeworfenes Brot, war wund und voller Narben. Seine Augen waren trüb und sein Körper schmerzte. Die vielen kleinen Parasiten, die ihn belagerten, nahmen ihm jeden Tag ein Stückchen mehr von seinem Leben. Er war müde. Müde vom Leben und wollte schlafen. Er träumte von Frieden und Freiheit und lief schon auf die bunte Brücke zu, von der immer alle redeten.
Er war nur noch einen Schritt entfernt von der Stille, die er sich wünschte, als man ihn fand. Als sich eine Frau zu ihm runter beugte und ihm versprach, dass es von nun an besser würde für ihn. Er wachte auf und die Brücke vor ihm zersprang in einem Meer aus Regenbogenfarben. Man trug ihn in ein Auto und ein monatelanger Kampf um sein Leben begann. Ein monatelanger Kampf zwischen Hoffen und Bangen, voller Schmerz und Rückschläge, aber er gab nicht auf.
Mit der Zeit wich die Angst, die Panik und die Resignation und wurde verdrängt von Dankbarkeit, Zufriedenheit und Stärke. Und so schwor er sich seine Stärke zu nutzen und den anderen zu helfen, die die Hoffnung noch suchten.
Nur manchmal, wenn er nachts in die Sterne blickte, fragte er sich wie es wohl ist, dieses Leben, von denen die Reisenden immer berichteten. Dann träumte auch er seine eigene Geschichte vom Glück. Vom Glück einer eigenen Familie. Ein Teil davon zu sein, über Wiesen zu rennen, sich im frischen Gras zu wälzen und am Ende des Tages neben seiner Familie zu liegen und sich das struppige Fell kraulen zu lassen.
Wie es wohl sein mag, sein Herz zu öffnen für die Liebe? Zu liegen in kuscheligen Decken am prasselnden Kamin, die Wärme in seinen Knochen zu spüren, die Liebe in seinem Herzen. Mit diesem Gefühl der Hoffnung legte sich der Schlaf über den weisen Hund, bevor er am Morgen seinen Körper wieder streckte, um seine Ruhe und Weisheit an die anderen weiterzugeben.
Wenn sich dann tagsüber die Türen für die anderen öffneten und sie ihre Tasche packen durften für das neue Leben, blieb er zurück, um am Abend wieder die Geschichten von der Hoffnung zu erzählen.
Nach einer langen Nacht, als die Sterne besonders funkelten und ein großer Stern einen langen Schweif hinter sich her zog, und er wiedermal keinen Schlaf fand, und sein Fell putzte bis es glänzte und sein Herz unruhig war, kamen früh am Morgen wieder mal Menschen an den Boxen der Vergessenen vorbei. Doch dieses Mal blieben sie nicht vor den Boxen der jungen Wilden stehen, sondern kamen an seine Box und sprachen freundlich auf ihn ein. Sie setzten sich zu ihm und warteten bis er fragend und zögerlich auf sie zukam. Streckten ihm zögerlich eine Hand zu und fütterten ihn mit nach Fleisch dufteten Leckereien.
Sie fragten ihn ob er Lust hätte mit ihnen zu kommen. Sie hätten ein kleines Haus mit einem Garten voller Bäume. Sie hatten ein Jahr zuvor ihren treuen, alten Begleiter und Freund über die Regenbogenbrücke gehen lassen müssen und nun wieder Platz im Herzen und auch Zuhause frei.
Und so brach er am Weihnachtsmorgen, als die Welt für ihn nur mehr der Sternenhimmel über der kleinen Pension in den Bergen war, zu seinem großen Abenteuer Familie auf. Mit Funkeln in den wachen Augen und einem Gefühl von Liebe in seinem Herz.
Die Geschichte ist meinem Herzenshund Zeus gewidmet, der mit seiner Güte, Weisheit und Dankbarkeit, betreut von den Streetdogs Madeira, immer noch auf sein Zuhause wartet und alles Glück der Welt verdient hat.
Ähnlichkeiten mit der Tierpension Le Petz von Graca wären übrigens rein zufällig.
Mit meiner kleinen Weihnachtsgeschichte wünsche ich allen Streetdogs und ihren Familien ein wunderschönes und friedliches Weihnachtsfest . . .
Und vergesst unsere "Vergessenen" nicht . . .